Modernisierungsszenario und das Deutschlandangebot 2040 im Vergleich
Das Deutschlandangebot 2040 in Rheinland-Pfalz
Am 04. November 2025 wird das Gutachten zur Finanzierung der Leistungskosten im ÖPNV in Deutschland und in Rheinland-Pfalz 2024 – 2040 veröffentlicht. Zwei Szenarien zeigen den Transformationsfahrplan für die Branche auf: eine umfassende Modernisierung des Bestands oder zusätzlich dazu ein deutlich erweitertes und attraktiveres Angebot in der Fläche. Die Politik muss jetzt Richtungsentscheidungen treffen.
Das Leistungskostengutachten „Das Deutschlandangebot in Rheinland-Pfalz – Transformationsfahrplan für einen modernen, effizienten und leistungsstarken ÖPNV für alle und überall“ stellt fundiert dar, wie der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in Rheinland-Pfalz zukunftsfähig gestaltet und finanziert werden kann. Es wurde im Auftrag des VDV von Ramboll Management Consulting (RMC), PwC Deutschland (PwC) und Intraplan Consult erstellt.
Die Gutachter haben zunächst den Finanzierungsbedarf des ÖPNV für den Status quo im Jahr 2024 analysiert und darauf aufbauend für zwei konkrete Szenarien die unterschiedlichen Finanzierungsbedarfe für den ÖPNV der Zukunft ermittelt. Das Szenario „Modernisierung 2040“ beinhaltet die umfassende Modernisierung bestehender Infrastruktur, punktuellen Ausbauten und der Umsetzung der Antriebswende. Das Szenario „Deutschlandangebot 2040“ setzt auf dem Szenario „Modernisierung 2040“ auf und leistet zusätzlich dazu eine signifikante Verbesserung des gesamten ÖPNV-Angebots entlang von Mindestbedienstandards. Das Leistungskostengutachten beschreibt damit eine konkrete Finanzierungsgrundlage, um den öffentlichen Personennahverkehr zu einer echten Mobilitätsalternative für alle Menschen in Rheinland-Pfalz zu machen – auch in ländlichen Räumen.
Modernisierung als Notwendigkeit
Der öffentliche Personennahverkehr mit Bahnen und Bussen ist ein zentraler Standortfaktor für Wohnen, Arbeiten und Freizeit. Er ermöglicht Teilhabe, stärkt die Wirtschaft und sorgt für gleichwertige Lebensverhältnisse – auch im ländlichen Raum. In den größeren Städten wie Mainz, Ludwigshafen, Koblenz, Kaiserslautern oder Trier trägt er entscheidend dazu bei, Straßen und Parkplätze zu entlasten. Für die touristischen Regionen, etwa an Mosel, Rhein, Nahe, in der Pfalz, im Hunsrück oder in der Eifel, sind gute Mobilitätsangebote ein wichtiges Qualitäts- und Attraktivitätsmerkmal.
In den vergangenen Jahren sind die Fahrgastzahlen im ÖPNV gestiegen, vielerorts sogar über das Niveau vor der Corona-Pandemie hinaus. Gleichzeitig stehen die Verkehrsunternehmen wirtschaftlich unter erheblichem Druck. Die Kosten für Energie und Personal sind seit 2020 deutlich gestiegen. Die Umstellung auf klimafreundliche Antriebe sowie die fortschreitende Digitalisierung erfordern zusätzliche Investitionen. Politische Maßnahmen zur Reduzierung der Fahrpreise, wie das Deutschlandticket, haben die Abhängigkeit der Unternehmen von öffentlichen Mitteln weiter erhöht, während Bund, Länder und Kommunen gleichzeitig ihre Haushalte konsolidieren müssen.
Gerade in dieser Situation braucht es entschlossenes politisches Handeln, um den ÖPNV in Rheinland-Pfalz dauerhaft leistungsfähig, innovativ und zukunftssicher zu gestalten. Das Leistungskostengutachten macht damit deutlich: Ein „Weiter so“ ist keine Option.
Kernbotschaften des Gutachtens
ÖPNV in Rheinland-Pfalz hängt von öffentlichen Mitteln ab
Die Betriebskosten im ÖPNV sind in den letzten Jahren aufgrund massiver Preissteigerungen deutlich überproportional gewachsen – insbesondere im Bereich Personal und Energie. Parallel dazu führte die Einführung des Deutschlandtickets zu einem strukturellen Rückgang der Fahrgeldeinnahmen. Diese Schere zwischen Aufwendungen und tatsächlich erzielten Einnahmen wird sich in den kommenden Jahren signifikant vergrößern. Im Jahr 2024 summierten sich die Aufwendungen für den ÖPNV in Rheinland-Pfalz auf 1,80 Milliarden Euro. Die Einnahmen aus Fahrgeldern und sonstigen Erlösen betrugen in Rheinland-Pfalz 480 Millionen Euro. Der Anteil der fahrgastbezogenen Einnahmen am Gesamtaufwand beträgt damit in Rheinland-Pfalz rund 27 Prozent und liegt deutlich unterhalb des bundesweiten Schnitts von circa 33 Prozent. Der verbleibende Finanzierungsbedarf von ca. 1,30 Milliarden Euro im Jahr 2024 in Rheinland-Pfalz wird durch öffentliche Finanzierungsquellen gedeckt. Die öffentliche Hand stellt somit in Rheinland-Pfalz die zentrale Finanzierungssäule des ÖPNV dar.
Angebot und Nachfrage
Im Jahr 2024 erbrachte der ÖPNV in Rheinland-Pfalz eine Betriebsleistung von rund 222 Millionen Nutzfahrzeug- beziehungsweise Nutzzugkilometern, das entspricht etwa 5,7 Prozent des bundesweiten ÖPNV-Angebots. Die Sparte Bus dominiert in Rheinland-Pfalz mit 81 Prozent bzw. 179,5 Millionen Nutzfahrzeugkilometer deutlich, 38,4 Millionen Kilometer (17 Prozent) entfallen auf die Sparte SPNV und lediglich 4,1 Millionen Kilometer (2 Prozent) auf die Sparte Tram. Die Nachfrage in Rheinland-Pfalz lag bei 4,68 Milliarden Personenkilometern und damit bei circa 3,9 Prozent des bundesweiten Wertes von 119,7 Milliarden Personenkilometern. Während bundesweit über die Hälfte dieser Leistung (54 Prozent) im SPNV erbracht wurde, liegt der Anteil in Rheinland-Pfalz mit 57 Prozent leicht darüber. Die Sparte Bus deckt rund 41 Prozent der Nachfrage und liegt damit deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt von 33 Prozent. Die Sparte Tram deckt 2 Prozent der Nachfrage im ÖPNV in Rheinland-Pfalz.
Kostenanstieg und Finanzierungsbedarf bis 2040
Das Leistungskostengutachten des VDV hat nun ein Leitbild für den künftigen ÖPNV und dem damit verbundenen Finanzierungsbedarf ermittelt. Die Ergebnisse bilden einen detaillierten Transformationsfahrplan bis zum Jahr 2040 und stellen aus Sicht der Branche zugleich die fachlich fundierte Basis für den künftigen Finanzierungsbedarf dar. Um das Szenario „Modernisierung 2040“ umzusetzen, steigt der öffentliche Finanzierungsbedarf von 1,30 Milliarden Euro im Jahr 2024 auf 2,30 Milliarden Euro im Jahr 2040. Das entspricht einer jährlichen Steigerung der öffentlichen Mittel um circa 63 Millionen Euro – ein Anstieg um circa 3,6 Prozent pro Jahr. Davon sind allein 30 Millionen Euro pro Jahr inflationsbedingt. In der Sparte Tram ergibt sich der größte Anstieg des Finanzierungsbedarfs, aufgrund der umfassenden nötigen Investitionen in Modernisierungen und Infrastrukturausbau steigt er um 157 Prozent. Die Steigerungsrate der Sparte SPNV beträgt 63 Prozent und der Sparte Bus 88 Prozent.
Für die Umsetzung des Szenarios „Deutschlandangebot 2040“ steigt der Finanzierungsbedarf in Rheinland-Pfalz noch einmal deutlich an – auf 3,93 Milliarden im Jahr 2040. Das entspricht einer jährlichen Steigerung der öffentlichen Mittel um circa 164 Millionen Euro, was einem Anstieg um circa 7,2 Prozent pro Jahr entspricht. Im „Deutschlandangebot 2040“ steigt der Finanzierungsbedarf in allen Sparten deutlich stärker als im Szenario „Modernisierung 2040“ (plus 202 Prozent) – insbesondere in der Sparte Bus für den flächendeckenden Angebotsausbau (plus 319 Prozent).
Der notwendige Eigenbeitrag der ÖPNV-Branche
Die Branche bekennt sich dazu, einen wesentlichen Eigenbeitrag zu leisten, Prozesse und damit letztlich auch das Angebot zu verbessern. Durch die Standardisierung von Systemen und Fahrzeugen lassen sich zusätzliche Skaleneffekte erzielen. Durch die Digitalisierung und Automatisierung ergeben sich neue Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung. Allerdings belasten politisch gewollte Rabatte wie das Deutschlandticket die Finanzierungsbasis des ÖPNV: Fahrgelderlöse fehlen, während die Kosten weiter steigen. Ein moderner ÖPNV braucht neben der
Finanzierung aus öffentlichen Mitteln ausreichende Fahrgeldeinnahmen als Finanzierungbeitrag für Leistungsverbesserungen im Angebot und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte.
Modernisierung 2040 vs. Deutschlandangebot 2040 in Rheinland-Pfalz: Flächendeckende Mobilität als echte Alternative
Das Szenario „Modernisierung 2040“ stellt den Mindestbedarf für einen zukunftsfähigen, qualitativ hochwertigen ÖPNV in Deutschland und in Rheinland-Pfalz dar, indem es den ÖPNV auf ein neues Qualitätsniveau hebt. Konkret bedeutet das:
- Der Sanierungsstau bei der Infrastruktur wird vollständig abgebaut.
- Neubau und Modernisierung von Betriebshöfen und Werkstätten.
- Fahrzeugflotten werden durch einen raschen gleitenden Austausch vollständig dekarbonisiert und modernisiert.
- Prozesse werden umfassend digitalisiert und automatisiert.
- Die ÖPNV-Qualität wird signifikant verbessert.
- Das ÖPNV-Angebot wird gegenüber 2024 punktuell ausgebaut.
Das Verkehrsangebot bleibt – mit Ausnahme von punktuellen Angebotsausweitungen durch bereits in der Umsetzung begriffene Investitionsvorhaben – konstant. Aufgrund der demografischen Entwicklung der Bevölkerung im berufstätigen Alter in Rheinland-Pfalz sinkt die ÖPNV-Nachfrage im Szenario „Modernisierung 2040“ um 2 Prozent.
Das Szenario „Deutschlandangebot 2040“ in Rheinland-Pfalz setzt auf dem Szenario Modernisierung 2040 auf und bietet darüber hinaus einen substanziellen Ausbau des Verkehrsangebots in allen Regionen Rheinland-Pfalz. Dadurch entsteht ein flächendeckend und attraktives sowie bedarfsgerechtes und klimafreundliches ÖPNV-Angebot. Es beinhaltet:
- Die Umsetzung aller Maßnahmen des Szenarios „Modernisierung 2040“.
- Eine flächendeckende Verdichtung des Angebots. Dazu gehören Taktverdichtungen im Busangebot gemäß bundesweit einheitlicher Mindestbedienstandards, eine um 40 Prozent gesteigerte Fahrplanleistung bei Straßen- und Stadtbahnen.
- Eine Fahrplanbeschleunigung um 5 Prozent durch digitale Steuerung, optimierte Ampelschaltungen und Priorisierung im Mischverkehr.
- Die vollständige Umsetzung des Deutschlandtakts und einer Anschlusssicherung im SPNV, Verdichtung des Angebots zum Beispiel auf der Strecke Kaiserslautern – Bad Kreuznach, auf der Siegstrecke und 30 min-Takt auf der S-Bahn Rhein-Main nach Worms.
- Zusätzliche flexible On-Demand-Angebote in ländlichen Regionen.
Im „Deutschlandangebot 2040“ steigen die zur Verfügung stehenden Sitzplatzkilometer um 50 Prozent und die Nachfrage wächst um mindestens 26 Prozent. Die durchschnittliche Güteklasse verbessert sich von 4,2 (2024) auf 2,7 (2040), das heißt, für mehr als ein Drittel der Bevölkerung in Rheinland-Pfalz verbessern sich die Erschließung im ÖPNV sowie das ÖPNV-Angebot um zwei Güteklassen, für knapp die Hälfte der Bevölkerung um eine Güteklasse.
Transformationsfahrplan für den ÖPNV bis 2040
Das Szenario „Deutschlandangebot 2040“ in Rheinland-Pfalz ist ein klarer Appell an die Politik: Nur mit einer entschlossenen Innovationsoffensive kann der ÖPNV seine Funktion als Rückgrat einer klima- und sozialgerechten Mobilitätswende erfüllen. Ein zukunftsfähiger ÖPNV erfordert dabei koordinierte verkehrspolitische Maßnahmen und langfristige Investitionen. Für Rheinland-Pfalz zeigt sich ein erheblicher Finanzierungsbedarf, da der Anteil der Fahrgeldeinnahmen – wie für die Flächenländer typisch - unterhalb des bundesweiten Durchschnitts liegt. Daraus resultiert ein besonders hoher Finanzierungsbedarf, sowohl für das Szenario „Modernisierung 2040“ als auch die Umsetzung des ambitionierten „Deutschlandangebots 2040“. Dafür braucht es neben dem starken und dauerhaften Eigenbeitrag der Verkehrsunternehmen und -verbünde auch eine entschlossene Politik, die bei der Transformation des ÖPNV verlässlich unterstützt. Dazu gehört vor allem eine auskömmliche und langfristig gesicherte Finanzierung. Durch das VDV-Leistungskostengutachten erhält der Modernisierungspakt der Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern, den Kommunen und der Branche eine fachlich fundierte Grundlage.
Die Politik muss dem ÖPNV nun den Stellenwert geben, den er in der Lebenswirklichkeit vieler Menschen längst hat. Der ÖPNV in Deutschland kann bis 2040 transformiert werden – zu einem modernen, effizienten und leistungsstarken System –, wenn Politik und Branche gemeinsam entschlossen handeln.
Die wichtigsten Botschaften in Kürze:
Mit 63 Millionen Euro mehr pro Jahr in Rheinland-Pfalz …
… wird die ÖPNV-Qualität signifikant verbessert.
… wird der Sanierungsstau bei der Infrastruktur vollständig abgebaut.
… werden Betriebshöfe und Werkstätten neugebaut oder modernisiert.
… werden Fahrzeugflotten dekarbonisiert und modernisiert.
… werden Prozesse umfassend digitalisiert und automatisiert.
Mit 164 Millionen Euro mehr pro Jahr in Rheinland-Pfalz …
… etablieren wir eine flächendeckende Taktverdichtung des Busangebots entsprechend von Mindestbedienstandards nach Kreistypen.
… verdichten wir das Angebot des Straßen-, Stadt- und U-Bahn-Verkehrs um 40 Prozent und sorgen für eine Fahrplanbeschleunigung um 5 Prozent.
… setzen wir den Deutschlandtakt sowie Anschlusssicherung innerhalb des SPNV um und verdichten das Angebot zum Beispiel auf der Strecke Kaiserslautern – Bad Kreuznach, auf der Siegstrecke und 30 min-Takt auf der S-Bahn Rhein-Main nach Worms.
… schaffen wir in ländlichen Räumen ein zusätzliches Angebot durch Einsatz von Kleinbussen, flexibel, digital bestellbar (On-Demand-Angebot).
…. steigern wir das Angebot (in Sitzplatzkilometern) um 50 Prozent.
… steigt die Nachfrage im Jahr 2040 gegenüber 2024 um mindestens 26 Prozent.
… steigern wir die durchschnittliche Güteklasse des ÖPNV von 4,2 auf 2,7.